Die Wiener Gemeinderats- und Bezirksvertretungswahlen 2015 fanden am Sonntag, den 11. Oktober 2015, statt. Die Ergebnisse im Detail:
Ergebnisse der Wien-Wahl 2015
- SPÖ: 39,44%
- FPÖ: 32,26%
- Grüne: 11,14%
- ÖVP: 8,70%
- NEOS: 5,95%
- ANDAS: 1,08%
- GFW: 1,02%
- WWW: 0,21%
- WIFF: 0,17%
- M: 0,02%
- SLP: 0,01%
- FREIE: 0,01%
Mandatsverteilung in Wien nach der Wahl
- SPÖ: 44 Mandate
- FPÖ: 35 Mandate
- Grüne: 9 Mandate
- ÖVP: 7 Mandate
- NEOS: 5 Mandate
Die Wahlbeteiligung für die Wiener Gemeinderats- und Bezirksvertretungswahlen 2015 lag um 14.00 Uhr bei 37,84 Prozent. Im Vergleich dazu belief sich die Wahlbeteiligung bei den letzten Wiener Gemeinderats- und Bezirksvertretungswahlen 2010 um dieselbe Zeit auf 36,62 Prozent. Die endgültige Wahlbeteiligung (inkl. der Briefwahlkarten) lag 2010 bei 67,63 Prozent. Bei den ausgestellten Wahlkarten verzeichnete das Wiener Wahlservice einen neuen Rekord. Insgesamt 203.874 Wahlkarten wurden im Rahmen der Wien-Wahl 2015 ausgestellt und 83.511 Wahlkartenanträge online gestellt. (Quelle wien.gv.at)
Die Wiener Wahl hat eines gezeigt: Umfragen und tatsächliche Wahlen sind „zwei unterschiedliche paar Schuhe“ – laut Umfragen wurde ein Kopf an Kopf Rennen zwischen der SPÖ und FPÖ voraus gesagt.
Reaktionen zum Ergebnis der Wien-Wahl 2015
Bürgermeister Häupl
Ich nehme dieses Ergebnis mit einer Mischung von Respekt und Demut entgegen. Ich freue mich nicht über das Minus, aber ich kann mit diesem Ergebnis unter diesen Umständen gut leben. Die Flüchtlingsfrage war nicht mein Wunschthema, aber wenn Menschen zu uns kommen, die vor Mord, Terror und Hunger flüchten, dann ist es selbstverständlich, dass man ihnen hilft. Das habe ich mein ganzes Leben vertreten und tue das auch jetzt. Das ist keine Zuspitzung, sondern das war und ist immanent bei mir
betonte Bürgermeister Dr. Michael Häupl in einer Stellungnahme zum Ergebnis der Wiener Landtags- und Gemeinderatswahl 2015. Er werte das Ergebnis nicht als Auftrag, so weiterzumachen wie bisher. Es gäbe ihm Sicherheit eine Veränderungen in der SPÖ herbeizuführen. Häupl wird in der kommenden Woche Gespräche mit allen im Gemeinderat vertretenen Parteien führen. Eine Koalitionsbildung mit den Freiheitlichen schloss Häupl aus.
OÖNachrichten: Leitartikel von Gerald Mandlbauer
Wels ist gestern nicht Wien gewesen, Wien nicht Wels. Die siebtgrößte österreichische Stadt, seit 70 Jahren eine Bank für die Sozialdemokratie, hat die Seiten gewechselt und bekommt mit Andreas Rabl einen freiheitlichen Bürgermeister. Konträr Wien, wo die Sozialdemokratie zwar Stimmen verloren hat, aber in viel geringerem Ausmaß als zuletzt prognostiziert. Ihr Machtverlust wird sich in Grenzen halten. Er wird geringer sein als der Stimmenverlust, Rot-Grün wird eine Fortsetzung erfahren.
Michael Häupl hat damit ein Ergebnis erzielt, das angesichts der Ausgangslage und der vorangegangenen drei Landtagswahlen eine ordentliche Schadensbegrenzung bedeutet. Die Wiener SP ist am Plafond des momentan Möglichen gelandet, was allerdings noch immer das zweitschlechteste Ergebnis seit 1945 bedeutet. Aber eben: Es hätte viel schlimmer kommen können.
Die ersten Berichte aus den Parteizentralen geben diese gefühlte Stimmung wieder. Die Freiheitlichen, als die Partei mit den größten Zugewinnen in Wien Wahlsieger, müssen mit einer großen Diskrepanz zwischen Erwartungen und Ergebnis leben. Das ist ihnen gestern sichtlich nicht leichtgefallen. HC Strache wurde schon euphorischer gesehen, der zähe Wahlabend mit dem langen Zuwarten und der bis zuletzt genährten Erwartung eines Kopf-an-Kopf-Rennens hat das seine zur Ernüchterung beigetragen. Und doch setzte sich der blaue Erfolgslauf fort, das darf in dieser Bewertung nicht übersehen werden.
Was hat den Ausschlag gegeben? Wahrscheinlich das Ausrufen eines Duells Häupl gegen Strache, ausgetragen mit konträren Positionen in der Asylfrage. Ohne nur das kleinste Zugeständnis an die Rechtspopulisten hat Michael Häupl das wahrscheinlich beste Ergebnis für die SPÖ herausgeholt, das sich in diesem Szenario hat einfahren lassen. Seine Politik des nie zögerlichen Dagegenhaltens hat Schlimmeres verhindert, die VP wurde in diesem Zweikampf total zerrieben.
Was heißt dies bundespolitisch? Der Vormarsch der FPÖ wird prolongiert, das große Beben bleibt vorerst jedoch aus. Michael Häupl, gestärkt, wird in der SPÖ noch dominanter sein. Vielleicht erkennt die Regierung dazu die Zeichen, die im Wiener Resultat zu erkennen sind: Dagegenhalten, sich was trauen, klare Meinung beziehen – dieses deutlich gelebte Verständnis von Politik muss nicht geradewegs in den Abgrund führen. (Quelle: APA/OTS)
Tiroler Tageszeitung: Leitartikel von Michael Sprenger
Häupl hat mit seiner klaren Haltung in der Flüchtlingsfrage die FPÖ auf Distanz halten können. So kann sich Werner Faymann die Verluste der SPÖ weiter schönreden. Und die ÖVP wird vorerst nicht über Neuwahlen nachdenken.
Bleibt jetzt alles beim Alten? Ja! Obwohl es paradox anmutet. Denn mit der Wiener Landtagswahl ging ein verlustreiches Superwahljahr für die beiden Volksparteien zu Ende. Bei allen vier Landtagswahlen haben SPÖ und ÖVP herbe Niederlagen einstecken müssen, bei allen vier Landtagswahlen konnte die FPÖ zum Teil massive Gewinne einfahren. Trotzdem wird es vorerst keine Diskussion an der Parteispitze von Rot und Schwarz geben. Zu groß ist die Erleichterung darüber, dass im Wiener Finale ein totaler Absturz noch verhindert worden ist. Jedenfalls bei der SPÖ. Die Wiener Schwarzen hingegen sind in der Bedeutungslosigkeit angekommen. Doch in der Volkspartei tröstet man sich einmal mehr mit den Verlusten in Oberösterreich und der Steiermark, um vom Wiener Debakel abzulenken. So etwas nennt man wohl nüchtern betrachtet eine bürgerliche Realitätsverweigerung. Zumindest wird ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner – wie zuletzt nach der katastrophalen Oberösterreichwahl – keine Neuwahl-Drohung hinausposaunen.
Bei der Kanzlerpartei sind die Vorzeichen immer schon andere gewesen. Dort wollte man immer nur Ruhe haben. Und so kam am Sonntagabend mit den Verlusten das Lachen und Jubeln zurück. Das inszenierte Duell, das keines war, hatte Michael Häuplklar gewonnen. Er hat in der Flüchtlingsfrage klar Haltung bewiesen. Häupl ist nicht in die Strache-Falle getappt. Er versuchte nie, Strache rechts zu überholen. Er hat Strache die Stirn geboten. Aus SPÖ-Sicht waren dies die positiven Erkenntnisse. Die FPÖ-Gewinne werden ausgeblendet. Häupl hatte also das richtige Gespür? Vielleicht für Wien, sicher für die Politik. Er musste mit seiner Haltung niemandem erklären, wofür denn die SPÖ überhaupt noch steht. Dies konnte andernorts kein Sozialdemokrat mehr beantworten. Er hat es verstanden, den Wahlkampf auf ein Duell zuzuspitzen. Damit konnte er mit Leihstimmen aus dem bürgerlichen und grünen Lager das Ausrinnen der SPÖ zur FPÖ zumindest eindämmen.
Michael Häupl erspart Faymann vorerst so eine Debatte um die Person des Kanzlers. Doch zugleich weiß Faymann seit gestern, dass sein politisches Überleben in dieser Legislaturperiode jetzt von Häupl abhängt. Denn der Wiener Bürgermeister ist nach dieser Niederlage stärker und mächtiger innerhalb der SPÖ als zuvor. Die Wiener Wahl macht die Innenpolitik noch paradoxer. (Quelle: APA/OTS)
Link:
www.wien.gv.at/politik/wahlen/grbv/2015/index.html
Foto: mediawien