Vom 9. bis 10. November fand im Florentinersaal des Palais Meran das zweite Symposium zu Volksmusikforschung und -praxis mit dem Titel „Volksmusik und (Neo)Nationalismus“ statt, das vom Steirischen Volksliedwerk gemeinsam mit der Kunstuniversität Graz (Institut für Ethnomusikologie), dem Johann-Joseph-Fux-Konservatorium Graz und der Volkskultur Steiermark GmbH veranstaltet wurde. 13 Referentinnen und Referenten aus Österreich, Tschechien, Slowakei, Slowenien, Türkei, Deutschland, Schweiz und Italien waren der Einladung gefolgt, in je 30-minütigen Vorträgen unter verschiedenen Blickwinkeln der Frage nach dem Verhältnis von Volksmusik(en) und (Neo)Nationalismus nachzugehen. Präsentiert wurden unter anderem folgende Beiträge:
Einblicke in die Entstehungszeit der Begriffe Nationalismus und Volksmusik
Eva Maria Hois vom Steirischen Volksliedwerk gab in ihrem Vortrag „Wenn der Volksgeist weht“ Einblicke in die Entstehungszeit der Begriffe „Nationalismus“ und „Volksmusik“ im 18. und 19. Jahrhundert und die Zusammenhänge der beiden Themenbereiche. Thomas Nußbaumer beschäftigte sich mit der nationalistischen Ideologisierung der „Südtirolfrage“ in rechter bzw. rechtsextremer Rockmusik sowie in der Instrumentalisierung von „Hymnen“ wie des Blasmusik-Marschliedes „Dem Land Tirol die Treue“ auf rechtsextremen Internetseiten. Ein Beispiel für die „neurechte“ Vereinnahmung von (Volks)Musik gab auch Florian Wimmer vom Steirischen Volksliedwerk, der sich mit dem Musikgenre „Neofolk“ auseinandersetzte, welches sowohl an „folk“-Traditionen als auch an die Gothic und Darkwave-Subkultur und die Zeit der deutschen Romantik anknüpft. Bernard Garaj zeigte auf, wie die Nominierungen für die Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Slowakei die derzeitige Volkmusikpraxis in seiner Heimat und somit auch nationale Identitäten beeinflussen.
Völkerverbindende Eigenschaften der Volksmusik
Dass Volksmusik nicht nur trennende, sondern durchaus völkerverbindende Eigenschaften besitzt, zeigte sich im Vortrag von Rudolf Pietsch, der über kulturellen Austausch im Rahmen von Volksmusik-Exkursionen im IGP-Unterricht an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien referierte. Eine der zentralen Aussagen des Symposiums traf die in Wien lebende Ethnomusikologin Hande Sağlam, die in ihrer Betrachtung der aktuellen politischen Lage in der Türkei das Vorhandensein multipler, vielfältiger Identitäten als wichtiges Mittel zum Schutz vor überbordendem Nationalismus darstellte.
Die Europhonics des Musikgymnasiums Graz unter der Leitung von Günter Hohl, führten zum Auftakt der Tagung das von Hohl komponierte bzw. arrangierte und zum Tagungsthema passende Chorstück „Europa“ auf.
Ich habe vier Volksmusikstücke aus unterschiedlichen europäischen Ländern (Kraja/Schweden, Värttinä/Finnland, Julie Murphy/Wales, Broadlahn/Steiermark) arrangiert und unter dem naheliegenden Titel „europa“ zu einem größeren Ganzen zusammengesetzt. Damit das nicht zu altbacken klingt, habe ich für die Begleitung Gitarre, Cello und ein elektronisches Sampling-Pad verwendet. Dieses Sampling-Pad spielt neben diversen perkussiven Geräuschen Schnipsel aus unterschiedlichsten politischen Reden ein. Diese Reden markieren jeweils wichtige Momente der europäischen Geschichte seit dem zweiten Weltkrieg: Staatsvertrag für Österreich, JFK in Berlin, Fall der Berliner Mauer, Finanzkrise, Flüchtlingskrise und andere …Insgesamt ist es mir darum gegangen, die Vielfalt Europas mit musikalischen Mitteln einzufangen.
so Günter Hohl über das Stück.
Am großen Publikums- und Medieninteresse zeigte sich laut den Veranstaltern Aktualität und Brisanz des Themas. Es wurde auf vielfältige Weise dargestellt, dass Volksmusik sowohl verbinden als auch trennen kann, und dass es letztlich von Intention, Ideologie und Umsetzung der handelnden Personen abhängt, ob und wie dies eingesetzt wird.
Im Rahmen des Symposiums wurde am Donnerstag den 9. November auch die Publikation zur vorangegangenen Tagung („Alpine Musiktraditionen in einer globalisierten Welt“) präsentiert, die dem 2017 verstorbenen Helmut Brenner – Dozent am Institut für Ethnomusikologie in Graz, Vorstandsmitglied des Steirischen Volksliedwerks und Mitdenker des Symposiums 2015 – gewidmet wurde.
Verleihung der Canorum Styriae
Im Anschluss fand die Verleihung der Canorum Styriae-Preise statt. Diese wurden heuer zum zweiten Mal an Verfasserinnen und Verfasser herausragender wissenschaftlicher Abschlussarbeiten im Bereich der Volksmusikforschung mit Steiermark-Bezug vergeben. Die diesjährigen PreisträgerInnen sind Bettina Schenekar, Daniel Maier sowie Eva-Christine Banholzer.
Quelle Steirischen Volksliedwerk, Titelfoto: (c) Martina Unterrainer / Steirisches Volksliedwerk